Arten und Prävalenz von Nahrungsmittelallergien
Bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien unterscheidet man zwischen primären und sekundären Allergien. Bei der primären Allergie, die sich meist schon im Kleinkindalter manifestiert, kommt es zu einer nicht toxischen Hypersensitivität gegenüber vorwiegend stabilen Nahrungsmittelproteinen (Glyko-/Lipoproteine). Der sekundären Allergie hingegen liegt eine Hypersensitivität gegenüber Aeroallergenen, wie Pollenallergenen, zugrunde, durch die die Betroffenen anschließend im Rahmen einer Kreuzallergie auf strukturverwandte, häufig instabile Allergene in (pflanzlichen) Lebensmitteln reagieren. Ein Beispiel hierfür ist die Sensibilisierung gegenüber Birkenpollen: Strukturähnliche Proteine zum Hauptallergen der Birkenpollen, das PR-10-Protein, finden sich in Kirschen, Erd- und Haselnüssen, Äpfeln, Karotten oder Kiwis.
Aus der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DGES) aus dem Jahr 2012 geht hervor, dass die Lebenszeitprävalenz der Nahrungsmittelallergie bei Frauen ca. 6,4 % und bei Männern ca. 2,9 % beträgt. Hierbei wird ein hormoneller Zusammenhang vermutet: Östrogene wirken proinflammatorisch, sie erhöhen beispielweise die Aktivität von Mastzellen. Frauen könnten durch die höheren Östrogenspiegel deshalb ein größeres Risiko für Atopien haben als Männer. Die Daten zur Prävalenz sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten: Verschiedene Gründe können die Bestimmung der Prävalenz erschweren, darunter das Vorhandensein von Augmentationsfaktoren, wie Anstrengung und Infekte, individuelle Beschreibung und Empfindung von Symptomen, neue bzw. versteckte Allergene sowie eine natürliche Toleranzentwicklung.
Allergene und Symptome
Zu den Nahrungsmitteln, die am häufigsten Allergien auslösen, zählen Kuhmilch, Hühnerei, Erdnuss und Nüsse; die Hypersensibilität gegenüber Kuhmilch und/oder Hühnerei verliert sich jedoch häufig in den ersten Lebensjahren. Bei Kindern stellen zusätzlich Weizen und in selteneren Fällen auch Soja und Fisch potenzielle Allergenquellen dar. Bei Erwachsenen hingegen können pollenassoziierte (z. B. Stein- und Kernobst, Sellerie, Karotte) sowie, in selteneren Fällen, latexassoziierte Allergenquellen relevant sein (z. B. Banane, Avocado, Kiwi und Feige). Zusätzlich lösen Fisch und Krustentiere häufig allergische Reaktionen bei Erwachsenen aus, in seltenen Fällen auch Fleisch.
Abhängig von der Art und Häufigkeit der Exposition sowie der Dosis können unterschiedliche Symptome bei einer Nahrungsmittelallergie ausgelöst werden. Der Expositionsweg spielt dabei eine wichtige Rolle, denn die Symptome sind vielfältiger, wenn mehrere Organsysteme beteiligt sind. Die Exposition kann oral, perkutan, inhalativ oder parenteral erfolgen. Aus Tabelle 1 gehen die möglichen Symptome geordnet nach Organsystem hervor.
Tabelle 1: Mögliche Symptome einer Nahrungsmittelallergie nach Zielorgan; adaptiert nach: Worm et al. Update of the SK2 guideline on the management of IgE-mediated food allergies. Allergologie select. 2021 5: 195-243Organsystem | Symptom |
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Systemisch; Kreislauf | Anaphylaxie Hypotension, Schock Tachykardie (selten Bradykardie bei Anaohylaxie) Benommenheit, Schwindel Synkope |
Haut | (Flüchtiges) Erythem ("flush") Urtikaria Juckreiz Angioödem Exanthem |
Augen | Juckreiz Rötung (konjunktivale Injektionen) Tränenfluss Periorbitales Ödem |
Oberer Respirationstrakt | Nasale Kongestion Juckreiz Schnupfen (Rhinorrhö) Larynxödem, Stridor Heiserkeit trockener Husten |
Unterer Respirationstrakt | Husten Thorakales Engegefühl Schweratmigkeit, Atemnot (Dyspnoe) Pfeifende Atemgeräusche (Giemen) Zyanose |
Oropharynx | Schwellungen der Lippen, Zunge und/ oder des Gaumens Oraler und/ oder pharyngealer Juckreiz |
Gastrointestinaltrakt | Übelkeit Erbrechen Bauchschmerzen Gastroösophagealer Reflux (GÖR) Diarrhö |
Die Leitsymptome einer schweren allergischen Reaktion umfassen bei Erwachsenen primär das Herzkreislauf- und bei Kindern das respiratorische System.
Diagnostik und Behandlung
Zur Diagnostik von Nahrungsmittelallergien gehören eine umfassende Anamnese, wenn möglich mit Ernährungs- und Symptomprotokoll, ein Sensibilisierungstest durch IgE-Bestimmung und/oder einen Pricktest sowie ggf. eine diagnostische Eliminationsdiät oder ein Provokationstest. Bei Kindern kommt als Sensibilisierungstest bevorzugt die in-vitro-Diagnostik zum Einsatz.
Nur etwa die Hälfte der in der Bevölkerung nachweisbaren Sensibilisierungen gehen mit Symptomen einher - die diagnostische Spezifität beträgt daher nur etwa 50%. Ein positives Testergebnis ist nur dann relevant, wenn klinisch korrespondierende Symptome vorliegen. Ist dies nicht eindeutig feststellbar, beispielsweise durch eine unklare Anamnese, soll die klinische Relevanz mithilfe eines oralen Provokationstests bzw. einer Eliminationsdiät überprüft werden. Bei gastrointestinalen Symptomen kann eine spezielle Diagnostik, beispielsweise eine mukosale Provokation und endoskopische Lavage, in Betracht gezogen werden.
Bei einer anhaltenden Nahrungsmittelallergie besteht die Behandlung aus einer Eliminationsdiät. Allergiker sollten umfassend über mögliche Allergenquellen aufgeklärt werden, ihr Umfeld über die Allergie informieren und Notfallmedikamente, wie Adrenalin oder ein Antihistaminikum, immer bei sich tragen, falls das Risiko einer anaphylaktischen Reaktion besteht.
Fazit
Nahrungsmittelallergien betreffen ca. 4 % der Bevölkerung in Deutschland. Die häufigsten Symptome sind Haut- und Schleimhautbeschwerden, wie Urtikaria oder Angioödeme. Bei der primären Nahrungsmittelallergie, die sich oftmals schon im Kindesalter manifestiert, besteht eine Sensibilisierung gegenüber Glyko-/Lipoproteine in Nahrungsmitteln, während die Sensibilisierung bei sekundären Allergien Aeroallergene betrifft. Im Rahmen einer Kreuzallergie reagieren Betroffene dann auf strukturverwandte Allergene in Lebensmitteln. Der diagnostische Weg besteht aus einer umfassenden Anamnese gefolgt von einem Sensibilisierungstest (Hauttest oder Nachweis von IgE mittels in-vitro-Diagnostik). Ein positives Testergebnis ist allerdings nur dann relevant, wenn entsprechende klinische Symptome vorliegen. Betroffene sollten umfassend über die relevanten Allergene und deren Quellen aufgeklärt werden, damit sie durch Meiden der Allergene ein beschwerdefreies Leben führen können.
Referenzen:
- Worm M, Reese I, Ballmer-Weber B, Beyer K, Bischoff SC, Bohle B, Brochow K, Claßen M, Fischer PJ, Hamelmann E, Jappe U, Kleine-Tebbe J, Klimek L, Koletzko B, Lange L, Lau S, Lepp U, Mahler V, Nemat K, Raithel M, Saloga J, Schäfer C, Schnadt S, Schreiber J, Szépfalusi Z, Treudler R, Wagenmann M, Werfel T, Zuberbier T. Update of the SK2 guideline on the management of IgE-mediated food allergies. Allergologie select. 2021; 5: 195-243. DOI 10.5414/ALX02257E.
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- Bundesinstitut für Risikobewertung: Lebensmittelallergien. Lebensmittel; https://www.bfr.bund.de/de/lebensmittelallergien-61267.html#:~:text=Die%20wichtigsten%20Allergie%20ausl%C3%B6senden%20Lebensmittel,f%C3%BCr%20Erwachsene%20wichtige%20Nahrungsmittelallergene%20dar zuletzt abgerufen am 26.07.2023